2019 zählte die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) 262.629 Handverletzungen. Und diese Zahl bezieht sich nur auf Unfälle im Beruf. Viele Handverletzungen gehen mit einer offenen Wunde einher. In diesem Artikel beschäftigen wir uns mit der Frage, wie Handverletzungen entstehen und wie der Körper darauf reagiert. Außerdem betrachten wir die Heilungsphasen und wie Sie Ihren Körper dabei unterstützen können.
Wie kommt es zu Wunden im Bereich der Hand?
Handverletzungen sind äußerst häufig. Das ist nicht verwunderlich, setzen wir unsere Hände doch alltäglich für die verschiedensten Tätigkeiten ein. So steigt die Wahrscheinlichkeit, in der Küche mit dem Messer abzurutschen, im Sport den Finger umzuknicken oder sich im Handwerk größere Verletzungen zuzuziehen.
Dem Missgeschick folgt nicht selten als sichtbares Ergebnis eine mehr oder weniger große Wunde. Auch chirurgische Behandlungen ziehen eine Wunde nach sich: Nach der OP bleibt ein Schnitt in der Haut zurück, der genäht wurde nun heilen muss.
Achtung: Nicht jede knotenförmige Veränderung in der Hand ist auf Dupuytren zurückzuführen. Daher ist es unbedingt notwendig, ärztlichen Rat zu suchen, um die Diagnose zu bestätigen und andere Erkrankungen auszuschließen.
Wie reagiert der Körper auf die Handverletzung?
Durch die Blutung werden Fremdkörper aus der Wunde gespült.
Egal ob chirurgischer Schnitt oder missglücktes Handwerk: Zunächst blutet die Wunde, weil Gefäße verletzt wurden. Der Blutfluss ist durchaus förderlich, um Fremdkörper auf der Oberfläche auszuspülen.
Die Blutung stoppt nach und nach, wenn sich Blutplättchen, die Thrombozyten, am Wundrand anlagern und miteinander verkleben.
Dieser Vorgang löst außerdem eine Verengung der verletzten Blutgefäße aus und verhindert so einen größeren Blutverlust.
An den Thrombozyten bindet Fibrinogen, ein Stoff, der ein feines Netz auf der Wundoberfläche bildet und so eine erste, provisorische Abdeckung schafft.
Um zusätzlich zur Blutstillung beizutragen, üben Sie mithilfe steriler Kompressen aus dem Verbandskasten leichten Druck auf die Handverletzung aus. Zusätzlich können Sie mit einer Mullbinde einen Druckverband herstellen.
Wickeln Sie die Mullbinde aber nicht zu fest: die Durchblutung der Hand sollte keinesfalls unterbunden werden.
Thrombozyten und Fibrinogen verkleben netzartig.
Hochhalten oder eine Lagerung oberhalb der Herzhöhe tragen ebenfalls zur Blutstillung bei. Lässt die Blutung dennoch nicht nach, kann es ratsam sein, den Rettungsdienst zu informieren.
Zur weiteren Versorgung sollten Sie sich Ihrem Hausarzt oder Ihrer Hausärztin vorstellen, um die Wunde zu reinigen und ggf. mit Gewebekleber, einem Klammerpflaster oder, bei sehr tiefen Wunden, mit einer Naht versorgen kann. Er oder sie wird zum Schutz der Wunde einen Verband anbringen, den Sie, soweit die ärztliche Seite damit einverstanden ist, selbst zu Hause wechseln können.
Warum ist eine Entzündung hilfreich?
Minuten nach der Handverletzung entzündet sich die Region. Eine Entzündung ist ein Prozess des Immunsystems, der der Wundheilung hilft. Dies ist nicht zu verwechseln mit einer Infektion, die durch Verschmutzung entsteht und den Heilungsprozess behindert.
Während die Entzündung die Heilung fördert, behindert die Infektion sie.
Über die Wundflüssigkeit im Wundbett werden Botenstoffe verteilt.
Die verletzte Stelle wird durch die Entzündung stärker durchblutet und Botenstoffe werden in das Gewebe entlassen. Nach kurzer Zeit ist das so genannte Wundbett mit Wundflüssigkeit gefüllt, die wichtige Stoffe zum Abbau zerstörter Zellen sowie zum Aufbau eines provisorisches Verschlusses enthält.
Aufgrund der hohen Durchblutung wird die Wundregion rot, warm und schwillt an. So entsteht ein Druck auf die Nervenenden, der den Wundschmerz erklärt.
Was lindert den Wundschmerz?
War vielleicht auch Ihr erster Gedanke hier: „kühlen“? Die Verwendung von Kühlkissen auf schmerzende Verletzung ist bei Weitem nicht so förderlich, wie man denken mag.
Bei Kälte werden weniger Botenstoffe und Immunzellen in das Wundbett transportiert. Die oben beschriebene Entzündungsreaktion wird verringert und verbessert zwar so zunächst den Wundschmerz. Allerdings steht man so den körpereigenen Aufräumarbeiten im verletzten Gewebe im Wege. Schließlich ist die Entzündung ein vom Immunsystem initiierter Prozess, der der Wundheilung hilft.
Stattdessen wird empfohlen, gerade bei leichtern Verletzungen die Hand weiterhin vorsichtig zu bewegen, zumindest die unverletzten Finger. Auf diese Weise bleibt die Lymphflüssigkeit in Bewegung, staut sich nicht in der Hand und verringert so den Druckschmerz in der Wunde.
Anstatt von Kälte kann sogar Wärme bei der Wundheilung helfen: Infrarot-A-Strahlen können schon früh nach der Verletzung eingesetzt werden, um die Heilungsprozesse anzukurbeln.
Wie bildet der Körper neues Gewebe?
Auf die ersten Reaktionen direkt nach der Handverletzung folgt die zweite Phase der Wundheilung, bei der es vor allem um die Gewebsneubildung geht. Innerhalb der ersten drei Tage bildet sich das so genannte Granulationsgewebe, in dem sich bereits neue Blutkapillaren ausbilden, um den Wundverschluss voranzutreiben.
Die Epithelzellen, die obersten Schicht der intakten Haut, wandern auf der Wundoberfläche und in der Tiefe der Wunde. Sie teilen sich dort, um die Wunde zu überspannen. Damit dieser Vorgang optimal ablaufen kann, muss die Wunde in den ersten Tagen feucht gehalten werden, zum Beispiel durch ein Pflaster.
Zellen teilen sich in der Tiefe der Wunde und bilden das Granulationsgewebe.
Nach einigen Tagen wird die Feuchtigkeit nicht mehr für die Heilung benötigt und die Handverletzung heilt besser an der frischen Luft. Sprechen Sie diese Details im Zweifel mit Ihrem Hausarzt oder Ihrer Hausärztin ab, um auf der sicheren Seite zu sein.
Direkter Kontakt zu Wasser, etwa beim Duschen, sollte aber in jeder Wundheilungsphase vermieden werden. Verwenden Sie dafür ein wasserfestes Pflaster oder sparen Sie die verletzte Hand beim Duschen komplett aus.
Wie schütze ich die Wunde mit Verbänden?
Der regelmäßige Verbandswechsel alle ein bis zwei Tage ist entscheidend, um die Wunde sauber zu halten und einer Infektion vorzubeugen. Sofern Ihr Arzt oder Ihre Ärztin das Okay gibt, können Sie oder ein Familienmitglied selbst neue Verbände anlegen.
Waschen Sie vor dem Wechsel gründlich die Hände und desinfizieren Sie sie. Entfernen Sie vorsichtig das alte Verbandsmaterial. Sollte es an der Wunde kleben, reißen Sie nicht daran, sondern weichen Sie das Material mit einer Kochsalzlösung aus der Apotheke auf.
Die Kochsalzlösung können Sie anschließend auch dafür nutzen, Blutreste von der Oberfläche der Wunde zu entfernen. Um das heilende Gewebe nicht zu zerstören, spülen Sie die Wunde, anstatt mit einem Tuch darüber zu wischen. Tupfen Sie die übrige Kochsalzlösung mit sterilen Kompressen vorsichtig ab.
Um einen neuen Verband anzulegen, legen Sie eine neue sterile Kompresse auf die Wunde und umwickeln Sie die verletze Hand großzügig mit einer Mullbinde. Bei kleineren Verletzungen können Sie auch ein Pflaster verwenden. Die Klebestreifen dürfen dabei keinesfalls das Wundgebiet berühren.
Warum soll sich die Wunde nicht zu stark zusammenziehen?
Ungefähr drei Tage nach der Verletzung beginnt die Wundkontraktion: Myofibroblasten ziehen dabei die Wundränder näher zueinander, verkleinern die Wundfläche und minimieren so die erforderliche Neubildung von Zellen.
Grundsätzlich ist dieser Vorgang förderlich für die Wundheilung. Allerdings können sich gerade an den feinen Strukturen der Hand Bewegungseinschränkungen ergeben, wenn die Wundkontraktur Spannung auf das umliegende Gewebe auslöst. Bei einer Wunde am Handrücken kann so beispielsweise der Faustschluss eingeschränkt werden.
Um Bewegungseinschränkungen zu vermeiden, beginnt die Handtherapie schon wenige Tage nach Ihrer Verletzung. Zusätzlich sollten Sie zu Hause vorsichtig Bewegungsübungen durchführen, die Ihnen Ihr*e Therapeut*in zeigt. So geraten die Wundränder immer wieder unter kontrollierte Spannung und können sich nicht zu stark zusammenziehen.
Wie repariert der Körper schließlich die Verletzung?
Nach vier bis fünf Tagen startet die letzte Phase der Wundheilung: die Reparation. Dabei ist wichtig, zwischen Reparation und Regeneration zu unterscheiden. Die Regeneration meint die gewebsspezifische Wiederherstellung, die sich beim menschlichen Organismus auf die Epithelien, also die oberste Hautschicht, beschränkt. Reparation hingegen meint einen Ersatz des zerstörten Gewebes durch unspezifisches Bindegewebe.
Das angelegte Blutkapillar-Netzwerk der Wunde wird ausgebaut und Kollagenfasern werden herangeschafft, um die Wunde reißfester zu machen. Dieser Vorgang ist zwei Wochen nach der Verletzung normalerweise abgeschlossen.
Wiederum hilft hier regelmäßige Bewegung, um die Reißfestigkeit der entstehenden Narbe zu erhöhen: Mobilisationsübungen bringen einen kontrollierten Zug auf das neue Gewebe und regt es dazu an, resistenter zu werden.
Reparation der Verletzung mit unspezifischem Bindegewebe.
Fassen wir zusammen
Nach einer Handverletzung durchläuft die Wunde verschiedene Phasen. Die erste setzt schon Sekunden nach der Verletzung ein und wird vom Immunsystem gesteuert. Durch eine gute Wundpflege können Sie den Körper dabei unterstützen, neues Gewebe zu bilden.
Im Heilungsprozess gilt es dann, die Hand nur so wenig wie nötig ruhigzustellen und unverletzte Teile weiterhin zu bewegen. Auf diese Weise wirken Sie langfristigen Bewegungseinschränkungen in Ihrer Hand entgegen.
Die drei Phasen der Wundheilung.
Wie geht es weiter, wenn die Handverletzung einmal geheilt ist? Erfahren Sie mehr über das Thema Narbenbehandlung im nächsten Artikel!
Literaturverzeichnis
Waldner-Nilsson (Hrsg.) (20133 a): Handrehabilitation. Band 1 Grundlagen, Erkrankungen. Heidelberg / Berlin: Springer-Verlag.
Waldner-Nilsson (Hrsg.) (20132 b): Handrehabilitation. Band 2 Verletzungen. Heidelberg / Berlin: Springer-Verlag.
Clauss W., Clauss C. (2018) Haut. In: Humanbiologie kompakt. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. (221-242)
N. E. Bringeland Mythos Kryotherapie: Väterchen Frost kann in Rente gehen physiopraxis 2018; 16 (1); S. 36–38 https://www.thieme.de/de/presse/kaelte-bei-verletzungen-123302.htm
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (2019): Statistik Arbeitsunfallgeschehen 2019. <https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/3893 >